Ich bin – privat und beruflich – seit vielen Jahren mehrmals im Jahr in Israel unterwegs. Als ich in einem Zeitungsartikel der Süddeutschen Zeitung (SZ) im April 2007 zum ersten Mal davon las, dass in Israel noch 240.000 Holocaustüberlebende leben und 80.000 davon an oder unter der Armutsgrenze, war ich zweimal mehr als überrascht:
- So viele Holocaustüberlebende gibt es noch?
- Und so viele davon leben in bitterer Armut?
Ich hatte keine Ahnung davon. Und wie der Artikel implizierte, hatten auch die meisten Israelis keine Ahnung davon. Es bedurfte eines Fernsehberichts, der von den bekanntesten Aufklärungsjournalisten Israels erstellt und im 1. Israelischen Fernsehkanal ausgestrahlt wurde, um die Nation aufzurütteln. Und diese Unruhen gingen per Medienberichterstattung rund um die Welt – und landeten auch via SZ bei mir in München auf dem Frühstückstisch.
Das war der Beginn eines intensiven Engagements meinerseits mit vielen Partnern und Gleichgesinnten über die letzten nunmehr etwa sieben Jahre hinweg. Höhepunkt dieses Engagements ist die „Aktion Würde und Versöhnung“ (AWV), die zum 70. Gedenktag der berühmt-berüchtigten „Wannseekonferenz“ vom 20. Januar 1942 (Heydrich, Eichmann und die NS-Regierung initiierten und koordinierten in einer Villa in Berlin-Wannsee den systematischen Völkermord an – so ihr Plan – 11 Millionen europäischen Juden) im Kontext von zwei Gedenkveranstaltungen in Berlin entstanden ist.
Dies war der Beginn einer Aktionspartnerschaft zwischen drei israelischen und einer deutschen Organisation, um gemeinsam das Leid der bedürftigen Holocaustüberlebenden zu lindern. Die Tagesschau, die BILD, der Deutschlandfunk und zahlreiche andere Medien berichteten darüber. Das Aktionsbündnis fand zahlreiche prominente Unterstützer. Und am 70. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz, am 27. Januar 2015, gingen Hunderte von engagierten Bürgern in Deutschland in die Fußgängerzonen und Marktplätze deutscher Städte und Orte, um dieses Anliegen an die breite Öffentlichkeit zu tragen.
Als Aktionsbündnis betrachten wir dieses Engagement für Würde und Versöhnung als eine großartige Chance. Vielleicht die letzte Chance dieser Art, dass von der bundesdeutschen Zivilgesellschaft aus ein kollektives Zeichen des Mitgefühls und der Wertschätzung an die letzten Überlebenden der Shoah ausgeht. Es ist ein humanitäres Zeichen hin zu diesen in der Kindheit traumatisierten Menschen, deren innere und äußere Nöte im Alter neu aufbrechen. Es ist gleichzeitig ein lebendiger Ausdruck gelebter deutsch-israelischer Freundschaft.
Je mehr Menschen guten Willens diese Chance ergreifen und nutzen, umso größer werden die segensvollen Wirkungen sein, die davon ausgehen. In alle Richtungen.
Nutzen Sie die Chance! Machen Sie mit!