von Josias Terschüren
Juni 2020
Josias Terschüren
Deutsches Hisbollah-Verbot – Meilenstein auf dem Weg zu einer neuen Iranpolitik?
Jetzt kam es also doch. Das Hisbollah-Verbot. Genauer gesagt, das Betätigungsverbot für die Hizb Allah / „Hisbollah“ in Deutschland.[1]Mit der Verlautbarung durch Innenminister Seehofer Anfang Mai hat die Bundesregierung ihre jahrelange Position in der Sache geändert. Zum Zeitpunkt der Pressekonferenz waren bereits Hausdurchsuchungen und das Einfrieren von Vermögenswerten Hisbollah nahestehender Vereine und deren Leiter durch deutsche Sicherheitskräfte erfolgt. Das deutsche Vorgehen gegen Hisbollah im Zuge des Betätigungsverbotes war robust und überfällig.
Vorausgegangen waren jahrelange Bemühungen vor allem der USA und Israels, die Terrordesignation des militärischen Armes der Hisbollah, die die EU als Antwort auf das von Hisbollah-Operativen im bulgarischen Burgas verübte Attentat in 2013 veranlasst hatte, auf die Gesamtorganisation auszuweiten. Ein wesentlicher Meilenstein auf dem deutschen Weg hin zur Aufhebung dieser künstlichen Differenzierung in einen militärischen und einen politischen Arm war das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. November 2015, in dem es seine ständige Rechtsprechung zur Hamas auf die Hizb Allah in ihrer Gesamtheit übertrug.[2] Auch die britische Entscheidung für ein Verbot der Terrororganisation Anfang dieses Jahres hat eine wichtige Rolle gespielt.
Bereits im November letzten Jahres hatte der Spiegel ein deutsches Verbot angekündigt[3], diese Meldung wurde aber vom Sprecher des Innenministeriums umgehend dementiert.[4] Vor allem in sicherheitspolitischen Kreisen gab es da bereits große Einigkeit über die Notwendigkeit eines Verbots der Hisbollah, aber es waren vor allem führende Außenpolitiker der SPD, die sich aus Rücksicht auf die deutsch-libanesischen Beziehungen und zur Wahrung offener Kanäle gegen ein Verbot aussprachen.[5]
Israelischer Mossad deckt Hisbollah Sprengstoff-Lager in Deutschland auf
Das Contra aber kam aus verschiedenen Richtungen: Einige Denkfabriken hielten mit gut recherchierten Positionspapieren dagegen, so das MFFB[6] oder auch das AJC[7],[8]. Hinter verschlossenen Türen brieften zudem BND, Verfassungsschutz und Co. Politiker der großen Koalition zur Causa. Und US-Botschafter Richard Grenell brachte das Thema unermüdlich in jedem seiner politischen Treffen in der deutschen Hauptstadt zur Sprache. Zu guter Letzt, so berichtet es die Jerusalem Post, hat der Mossad den wohl entscheidenden Nachweis erbracht und Hisbollah-Operativen in Deutschland den Besitz größerer Mengen an Sprengstoff nachgewiesen.[9] Wie schon bei der Aushebung des iranischen Atomarchivs war der Umgang des israelischen Geheimdienstes mit dieser Information auch diesmal alles andere als geheim. Wieder einmal waren es die Israelis, die die entscheidenden geheimdienstlichen Hinweise und Informationen lieferten, die im Kampf gegen den Terrorismus Entscheidungen westlicher Regierungen mit handfesten Beweisen unterfütterten. Auch wenn es politisch noch manchmal hakt, die Zusammenarbeit deutscher und israelischer Sicherheitsbehörden zugunsten der allgemeinen Sicherheit scheint jedenfalls prima zu funktionieren. Nach der Verlautbarung des Verbots begrüßten die USA[10] und Israel[11] den Schritt, während sich das iranische Außenministerium dazu hinreißen ließ, den Schritt offen zu kritisieren[12] und somit die enge Verbundenheit zwischen dem iranischen Regime und der Terrororganisation Hisbollah indirekt unter Beweis stellte – es ist schon bezeichnend, dass der Kopf schreit, wenn die Hand Verbrennungen erleidet. Auch die Initiative 27. Januar begrüßte den Schritt der Bundesregierung. [13]
Wann kommt die Wende in der noch immer fatalen deutschen Iranpolitik?
Die gute Argumentationslinie von Außenminister Heiko Maas zum Hisbollah-Verbot wäre auch hinreichend, um eine dringend notwendige Wende in der deutschen Iranpolitik herbeizuführen:[14]
Doch auch im Umgang mit dem Iran verdichten sich die Anzeichen dafür, dass die Deutschen nur widerwillig auf den rechten Weg einlenken werden. Hierin sind sie nach dem Churchill zugeschriebenen Zitat dann doch den Amerikanern nahe, über die der britische Premierminister einst zynisch bemerkte: „Man kann sich immer darauf verlassen, dass die Amerikaner das Richtige tun, nachdem sie alles andere versucht haben.“
Wenn die Amerikaner im Oktober wie es sich abzeichnet, den UN-Sicherheitsrat darüber in Kenntnis setzen werden, dass der Iran gegen das Atomabkommen verstoßen hat, werden nach Artikeln 10-12 des JCPOA die unter Resolution 2231 ausgesetzten Sanktionen automatisch innerhalb von 30 Tagen wiedereingesetzt werden. Das bedeutete das Ende des Atomabkommens und damit auch einen notwendigen und erzwungenen Umschwung in der deutschen Position. Die Bundesregierung versucht derzeit mit Händen und Füßen, den Deal trotz zahlreicher und offener iranischer Verstöße zu bewahren. Selbst vor peinlichen PR-Stunts wie der Nutzung des ansonsten völlig wirkungslosen Instex-Mechanismus zur Bereitstellung von medizinischem Equipment gegen Corona schreckt man im Auswärtigen Amt nicht zurück, um sein Festhalten daran zu demonstrieren. Die Amerikaner haben die Auflösung des Atomabkommens angedroht, um das Auslaufen des fünfjährigen Embargos für konventionelle Waffen gegen den Iran zu verhindern, nachdem der iranische Chef des Atomprogramms Salehi offen zugegeben hatte, dass der Iran gegen das Atomabkommen verstößt.[15]
Ohne dazu gezwungen zu sein, sieht es nicht so aus, dass die Bundesregierung bereit wäre, von ihrem fatalen Kurs in der Iranpolitik abzuweichen. Nicht einmal offene und wiederholte Auslöschungsphantasien des iranischen Präsidenten gegenüber Israel haben ernstzunehmende, d.h. über Worte hinausreichende Konsequenzen für die deutsche Iranpolitik. Khamenei forderte jüngst wieder einmal die Entwurzelung und Zerstörung Israels[16], propagierte eine „Final Solution“, also eine Endlösung[17] und auch die Auslöschung des „zionistischen Regimes“[18]
Licht und Schatten im 55. Jubiläumsjahr diplomatischer Beziehungen Deutschland-Israel
In Zeiten von Corona wurden die Feierlichkeiten anlässlich von 55 Jahren diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel stilecht in virtuellen Formaten begangen. Die Botschafter beider Länder gaben ein gemeinsames Interview, es gab einen virtuellen Israeltag – der Staatsbesuch von Bundespräsident Steinmeier in Israel musste Corona-bedingt leider abgesagt werden.
Angesichts der oben genannten Licht- und Schattenseiten in den Beziehungen hat das offizielle Jubiläumslogo beinahe schon prophetische Aussagekraft: Es gibt echte Herzensverbindung und Freundschaft, aber in der deutschen Haltung auch Verkehrtes und Bereiche, in denen schwarz-rot Israel die kalte Schulter zeigt.[19] Neben dem Iranthema wird auch die deutsche Haltung und Entscheidung in Bezug auf die für Juli angekündigte Ausweitung israelischer Souveränität über Judäa und Samarien (Westjordanland) eine ganz wesentliche Rolle darin spielen, „ob die deutsche Fünf wieder an ihren Platz kommt“ – entgegen landläufiger Behauptungen handelt es sich im juristischen Sinne bei diesem Schritt der neu gewählten israelischen Regierung nicht um eine Annexion des Westjordanlandes, sondern vielmehr um die Ablösung des dort bislang geltenden Militärrechts durch die Anwendung des israelischen Grundgesetzes zu Gunsten der jüdischen und palästinensischen Bevölkerung.[20] Die von der Bundesregierung unterstützten Schritte des EU-Außenbeauftragten Borrell in der Angelegenheit und auch die Erklärung von Heiko Maas im Zuge der fünften Sitzung des deutsch-palästinensischen Lenkungsausschusses[21] geben hier leider nicht allzu viel Anlass zur Hoffnung, auch wenn europäische Freunde wie Österreich, Ungarn oder Tschechien Israel zunächst einmal vor dem Zorn und den Sanktionsdrohungen der EU bewahrt haben. Aber wer weiß, vielleicht tut unsere Bundesregierung ja auch hier das Richtige, nachdem sie alles andere versucht hat.
Quellen:
[1] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2020/04/betaetigungsverbot-hizb-allah.html
[2] https://www.bverwg.de/161115U1A4.15.0
[3] https://www.spiegel.de/politik/ausland/bundesregierung-plant-hisbollah-verbot-a-1298692.html
[4] https://twitter.com/BMISprecher/status/1200075034087305216?s=20
https://twitter.com/BMISprecher/status/1200175861527396354?s=20
[5] https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/annen-spiegel-hisbollah/2198004
[6] http://www.mideastfreedomforum.org/fileadmin/editors_de/Artikel/Policy_Paper/Mideast_Freedom_Forum_Berlin_-_10_Gruende_fuer_ein_Verbot_der_Hisbollah.pdf
[7] https://ajcberlin.org/sites/default/files/downloads/ajc-berlinhisbollah-broschueredea4.pdf
[8] https://www.ajc.org/news/setting-the-record-straight-on-hezbollah-full-report
[9] https://www.jpost.com/international/germany-confirms-mossad-help-with-hezbollah-ban-but-upset-about-credit-627888
[10] https://twitter.com/SecPompeo/status/1255913558195527690?s=20
[11] https://twitter.com/netanyahu/status/1255897557533941760?s=20
[12] https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-05/hisbollah-islamisten-organisation-verbot-deutschland-iran-kritik
[13] https://initiative27januar.org/stellungnahme-zum-hisbollah-verbot/
[14] https://twitter.com/HeikoMaas/status/1255763307404951552
[15] https://carolineglick.com/the-final-days-of-the-iran-nuclear-deal/
[16] https://twitter.com/khamenei_ir/status/1263749566744100864?s=21
[17] https://twitter.com/jgreenblattadl/status/1262846367568887816?s=21
[18] https://twitter.com/khamenei_ir/status/1263165539167371267?s=21
[19] http://www.botschaftisrael.de/2020/03/19/das-offizielle-logo-zu-il55de/
[20] https://twitter.com/EVKontorovich/status/1261981940367925248?s=20
[21] https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/pse-lenkungsausschuss/2342684