Reisebericht: Israel März 2020

von Julia Müller, Team Frankfurt

Vom 01. – 08. März 2020 fand unsere erste Bildungsreise nach Isra- el für Multiplikatoren statt. 12 Personen aus vier europäischen Län- dern nahmen teil. Julia Müller aus dem Frankfurter Team nimmt uns in ihrem persönlichen Reisebericht mit:

Hummus, der goldgelbe Faden unserer Reise – mit diesem Abendsnack läuten die meisten von uns ihren Israelaufenthalt ein, bevor wir uns zum ersten Mal in einem Hostel in Tel Aviv treffen. Wir sind eine bunt gemischte Reisegruppe, die das Berufs-, Alters- und Herkunftsspektrum weit ausschöpft und dementsprechend viele Erwartungen mitbringt.

Unsere Reiseleiter Natalja Part und Daniel Müller werden uns bereits am ersten Tag am Strand entlang nach Jaffa, in die muslimisch geprägte antike Hafenstadt von Tel Aviv, führen. Nachmittags treffen wir den israelischen Politikwissenschaftler Gerald Steinberg, mit dem wir NGOs mit zweifelhaftem Engagement gegen Israel und ihre staatlichen Unterstützer beleuchten.

Der zweite Tag steht im Zeichen des modernen Israels: Ein Besuch bei Bosch bringt neue Perspektiven auf den Innovationsstandort und die Start-Up-Kultur, aber auch die gesellschaftlichen und politischen Hin- tergründe dieser Entwicklung. Das anschließend erkundete Sarona- Viertel zeigt eine Symbiose aus restaurierten Templer-Siedlungen und moderner Geschäftswelt.

Ebenfalls aktuell gestaltet sich die abendliche Betrachtung israelischer und deutscher Politik mit Melody Sucharewicz. Die Schirmherrin von Zeugen der Zeitzeugen und Mitglied in Benny Gantz‘ Wahlkampfteam teilt mit uns am Tag nach der Wahl in Israel ihre Ansichten.

Am nächsten Morgen folgt der Bus-Transfer nach Jerusalem, wo wir die Altstadt unter archäologischen Aspekten erkunden und die hohe Dichte dreier Weltreligionen nicht nur an der Klagemauer sehen dürfen. Am Abend gibt es dann interessante Einblicke in die Islamwissenschaften.

Den Donnerstag beginnen wir in Yad Vashem, der Gedenkstätte für die Opfer der Shoah. Neben einem historischen Rundumschlag dürfen wir dort viele persönliche Geschichten von Opfern, Überlebenden und Un- terstützern von verfolgten Juden hören – an diesem Ort kulminiert die Erinnerung an einen tiefen Einschnitt in die Geschichte, deren histori- sche Konsequenz der Staat ist, den man blickt, wenn man aus der „Halle der Namen“ heraustritt: Israel.

Diese Stätte am Herzlberg atmet förmlich die Worte „Nie wieder“ – und diese Erfahrung ist nachhaltig.

Am Nachmittag treffen wir in der Hurva-Synagoge einen jüdisch-orthodoxen Religionswissenschaftler, dessen Worte: „It’s hard to be a Jew.“ nachhallen. Mit ihm dürfen wir erfrischend diskutieren und von Details des orthodoxen Lebens – eines 24-Stunden-Jobs, wie er sagt – erfahren.

Nach unserer Ankunft in Haifa am nächsten Morgen erkunden wir zunächst den Markt und die Universität, ehe die Vorbereitung für das Shabbat-Dinner mit einigen Holocaust-Überlebenden und ihren Angehörigen anlaufen. Wir verleben einen wunderschönen Abend mit großartigem Essen und Tanz, Lebensgeschichten, die beeindrucken, und Lebenseinstellungen, die inspirieren dürfen.

Der letzte Tag in Haifa führt uns auf den Berg zum Karmeliterkloster Stella Maris, anschließend an den Strand und zu historischen Friedhöfen, ehe wir im deutschen Viertel den Shabbat ausklingen lassen.

Wie Israel schmeckt? Nach Hummus – bei dieser Antwort sind wir uns einig gewesen. Jenseits dieser entscheidenden Frage jedoch ist Israel kein Land der Eindeutigkeit, sondern viel mehr der Vielseitigkeit. Wir durften kulturelle und religiöse Vielfalt auf engstem Raum erleben, haben Menschen aus den verschiedensten Gesellschaftsbereichen getroffen und jeder ist mit der Erinnerung an ein anderes Highlight nach Hause geflogen – und mit der Gewissheit, nicht zum letzten Mal dagewesen zu sein.

 

 

Städtearbeit in Corona-Zeiten: Ein Stadtkoordinator berichtet

von Daniel Essel, Stadtkoordinator Frankfurt

Das Jahr 2020 hätte ein Jahr der vielen Schulprojekte werden sollen, da wir bis zuletzt sehr viele Anfragen (Kommentar der Redaktion: 20 Anfragen für 2020 sind aktuell bundesweit offen) hatten und auch die Überlebenden sehr motiviert sind Ihre Erfahrungen den Schülerinnen und Schülern mitzuteilen. Unser Team in Frankfurt ist außerdem um weitere Mitglieder gewachsen, sodass wir auch viel mehr an Anfragen hätten bedienen können.

Nach unserer Zeugen der Zeitzeugen Reise im März nach Israel hatten wir uns ursprünglich auf einen weiteren Spielenachmittag mit den Überlebenden sehr gefreut. Dies ist eine neue Tradition, bei der wir einen Nachmittag mit Kaffee,

Kuchen und Gesellschaftsspielen gemeinsam mit den Überlebenden verbringen. Um den Shoah-Überlebenden eine kleine Aufmerksamkeit trotz dieser schwierigen Zeit zu schen- ken, haben wir gemeinsam einen „digitalen Gruß“ zum Passahfest persönlich gestaltet und versendet. Die Freude war groß, jedoch haben wir gemerkt, dass ein digitaler Gruß nicht den so wichtigen persönlichen Kontakt langfristig ersetzen kann. So bleiben wir auch weiterhin regelmäßig in Kontakt mit den Überlebenden und freuen uns schon umso mehr wieder auf die Besuche, sobald die Situation dies erlaubt.

Zu Jom HaShoah (20.04.2020), dem israelischen Tag des Gedenkens an den Holocaust, schalten einige unserer Mitglieder sich zu einer virtuellen Gedenkzeremonie unserer israelischen Partner nach Israel. Am Dienstag veranstaltet die Jüdische Gemeinde in Frankfurt eine digi- tale Gedenkveranstaltung.

Die derzeitige Situation erfordert räumliche Distanz zu den Überlebenden der Shoah, dies hindert uns jedoch nicht den persönlichen Kontakt zu pflegen, beizustehen und auch weiterhin gemeinsam mit ihren Kindern und Enkeln die Erinnerung aufrechtzuerhalten.

 

Warum ich mich für ZdZ engagiere

von Julia Müller, Team Frankfurt

Mit Zeugen der Zeitzeugen darf ich Menschen begegnen, deren „Leben mit dem Überleben“ nachhaltige Eindrücke hinterlässt. Ich möchte diese Perspektive vielen Menschen ermöglichen und arbeite daher im Videoschnitt der Zeugnisse von Überlebenden.

Wir dürfen Multiplikatoren dieser Lebenseinstellung und dessen, woran erinnert werden muss, sein – und das ist eine Ehre und Verantwortung.