von Josias Terschüren
März 2018
Josias Terschüren
Neugefundene Leidenschaft für Israel
Personalwechsel im Auswärtigen Amt
Am 14. März 2018 war es nach 171 Tagen Wartezeit und einem zähen politischen Hin und Her endlich soweit: Die Bundesrepublik Deutschland bekam wieder eine Regierung; die neue, alte Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel geht in ihre vierte Amtszeit, nun bereits zum dritten Mal mit der SPD als Koalitionspartner.
Neben Merkel selbst behielten nur zwei weitere Kabinettsmitglieder ihren Posten: Ursula von der Leyen, die auch weiterhin das Amt der Verteidigungsministerin bekleiden wird und Gerd Müller, der uns als Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erhalten bleibt. Darüber hinaus gab es ein munteres Stühle Rücken, das auch im Auswärtigen Amt für eine Neubesetzung auf dem Posten des Bundesministers sorgte: Der bisherige Amtsinhaber Sigmar Gabriel landete auf dem politischen Abstellgleis, während sein Nachfolger Heiko Maas noch nicht am Ende seiner politischen Laufbahn angekommen zu sein scheint.
Neue deutsche Leidenschaft für die Beziehungen zu Israel
Während der Gabriel-Kritiker und Historiker Michael Wolffsohn in einem lesenswerten Kommentar im Handelsblatt die schlechte Bilanz der deutschen Außenpolitik unter Sigmar Gabriel deutlich herausarbeitete, i erhielt sein Nachfolger Heiko Maas gute Kritiken für seinen Einstand am Werderschen Markt. Hatte Sigmar Gabriel auf seiner letzten Israelreise seine innere „Antriebsschwäche“ auf dem Gebiet der deutsch-israelischen Beziehungen deutlich offengelegt, indem er bekannte, dass es immer schwerer werde „für Leute wie mich, zu erklären, warum unsere Unterstützung Israels weitergehen muss.“, ii hob umgekehrt der frischgebackene Außenminister Maas gleich in seiner Antrittsrede hervor, wie sehr für ihn die deutsch-israelischen Beziehungen eine tiefe persönliche Motivation seines politischen Handelns sind: „Für mich liegt in dieser deutsch-israelischen Geschichte nicht nur eine historische Verantwortung, sondern auch für mich ganz persönlich eine tiefe Motivation meines politischen Handelns. Ich bin nicht, bei allem Respekt, wegen Willy Brandt in die Politik gegangen, ich bin auch nicht wegen der Friedensbewegung oder der ökologischen Frage in die Politik gegangen. Ich bin wegen Auschwitz in die Politik gegangen. Und deshalb ist auch dieser Teil unserer Arbeit mir ganz besonders wichtig.“ iii
Neben seinen Antrittsbesuchen bei den wichtigsten europäischen Partnern in Paris und Warschau stellte Maas bereits eine Reise nach Israel in Aussicht – ein wichtiges und positives Signal! Die Tageszeitung DIE WELT berichtete außerdem über ein erstes Telefonat zwischen Maas und Netanjahu.
Reden ist Silber… – was Heiko Maas nicht sagte
Auffallend war, dass Heiko Maas in dem anderthalb-minütigen Abschnitt seiner Rede, in dem er sich mit den deutsch-israelischen Beziehungen befasste, eine realistische Einschätzung über die nächsten Schritte und die kommenden Herausforderungen und Aufgaben auf diesem Gebiet abgab: Anders als der Koalitionsvertrag, vergaß er nicht, den 70. Geburtstag des Staates Israel zu erwähnen, den er als Anlass versteht zwei Dinge „greifbar“ werden zu lassen: Zum einen „unsere schicksalshafte Verbindung“ und zum anderen „das Wunder der Freundschaft zwischen uns“.
Das sind Mut machende Worte, die eine Neujustierung der etwas aus dem Lot geratenen bilateralen Beziehungen möglich machen würden, führten sie denn tatsächlich zu einer angemessenen Balance zwischen dem Gedenken einerseits und einer aktiv gelebten emotionalen Freundschaft andererseits.
Doch wichtig ist auch, was Maas nicht sagte! Anders als in der Russland-Thematik und anders als sein Vorgänger in der Israel-Thematik, ließ Maas kein kritisches Wort über Israel fallen. Was sagte er zu den Friedensverhandlungen, der Jerusalem-Frage oder anderen wichtigen politischen Fragen der Nahostpolitik? Nichts! – und das ist auch gut so. Bei der 70. Geburtstagsfeier der Staatsgründung Israels sollte es nicht um diese politischen Fragen gehen, sondern um das Wesentliche, eben die Essenz der deutsch-israelischen Freundschaft: Die Freude über die Existenz des jüdischen Staates nach der Schoah! 2015 konnten die Feierlichkeiten anlässlich des 50. Jubiläums deutsch-israelischer Beziehungen auf beeindruckende Art und Weise zeigen, wie es gelingen kann, einen festlichen Anlass genau unter dieser Prämisse zu begehen! Wir hoffen auf eine Wiederholung.
Erstes Fazit: Als Gabriel-gewöhnter Beobachter der deutsch-israelischen Beziehungen mag man sich verwundert die Augen reiben und fragen:
Ist das der Anfang einer neuen Ära, die – endlich wieder – für ein beherztes und couragiertes, moralisch klares Eintreten für die Existenz und Sicherheit Israels steht und ohne besserwisserische Bevormundung durch den deutschen Außenminister auskommt?
„Test unserer Partnerschaft“ – Stolperstein oder Trittstein?
Schließlich schaffte es Maas unmittelbar nach der Hervorhebung des fröhlichen und staatstragenden Anlasses des 70. Jubiläums der Staatsgründung Israels und der Erklärung seiner persönlichen Motivation, auch einen vorausliegenden „Stolperstein“ direkt und versöhnlich anzusprechen, nämlich den Umstand, dass sich sowohl die Bundesrepublik Deutschland, als auch der Staat Israel auf einen der beiden ab 2019 für die Gruppe der Westeuropäischen Staaten verfügbaren nichtständigen Sitze im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bewerben. Während Israel bereits in 2005 seine entsprechende Absicht klar verkündigt hatte, warf Deutschland seinen Hut erst in 2013 in den Ring, nachdem es seine letzte nichtständige Mitgliedschaft in diesem höchsten internationalen Gremium in 2012 beendet hatte. Die Bundesrepublik folgte darin einer Regel, wonach Deutschland, seines Zeichens eines der größten Netto-Geber-Länder der Vereinten Nationen, alle acht Jahre einen Sitz im UN-Sicherheitsrat anstrebt. iv Israelische Medien berichteten zu der Zeit, dass dieser Schritt Deutschlands anscheinend entgegen anderslautenden Vereinbarungen mit Israel unternommen worden sei, das selbst als eines von wenigen UNO-Mitgliedern noch nie einen Sitz im höchsten Gremium der Vereinten Nationen innehatte; was laut den Berichten zu Spannungen führte. v Berlin dementierte aber Streitigkeiten. vi Da die Entscheidung in dieser Angelegenheit wohl im Juni diesen Jahres fallen wird, lag auf jeden Fall ein potentieller Stolperstein für die deutsch-israelischen Beziehungen auf dem gemeinsamen Weg, kurz nach den Feierlichkeiten rund um das Jubiläum. Maas entschied sich, dazu offen Stellung zu beziehen: „Und ein Test unserer Partnerschaft, der steht bald schon an: Im Frühjahr bewirbt sich Deutschland um einen nicht-ständigen Sitz bei dem UN-Sicherheitsrat und wenn die Kandidatur glückt, dann tragen wir gemeinsam ab Januar für zwei Jahre ein Stück von dem, was wir in der UNO Charta so anspruchsvoll die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit nennen.“
Mit dieser Formulierung umschifft Maas die Beschreibung der Konkurrenz-Situation geschickt und erklärt die Sache zu einem „Test unserer Partnerschaft“ – er sagte nicht Freundschaft, sondern Partnerschaft. Kann man das so deuten, dass im Auswärtigen Amt die Idee eines inoffiziell gemeinsam wahrgenommenen Mandats kursiert? Denn Maas formuliert: „…dann tragen wir gemeinsam ab Januar für zwei Jahre ein Stück…“ und leitet damit in das Thema der internationalen Ordnung über. Oder steckt gar ein anderes Konzept dahinter, dass Deutschland und Israel abwechselnd für je ein Jahr anstatt der vorgesehenen zwei Jahre den Sitz im Sicherheitsrat besetzen? Das gab es immerhin schon ein paar Mal, gerade teilen sich z.B. Italien und die Niederlande einen Sitz. vii Vor dem Hintergrund, dass Israel für den Sitz die Zustimmung von 128 Ländern sichern müsste und die mit erheblichen finanziellen Aufwendungen verbundene Kampagne noch nicht so recht in Schwung gebracht hat, sehen Beobachter die Chancen für einen israelischen Erfolg in der Sache ohnehin als eher gering an. Vielleicht kann dieser potentielle Stolperstein also zu einem Trittstein für eine vertiefte Kooperation zwischen Deutschland und Israel auf dieser diplomatischen Ebene werden! Es wäre ein starkes Signal!!
Durchweg positive israelische Reaktionen
Die israelischen Reaktionen auf die Wahl Heiko Maas’ und auch seines engsten Mitarbeiterstabs im Auswärtigen Amt fielen durchweg positiv aus. Israels Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff twitterte am 9. März: „Es ist mir eine Ehre, Heiko Maas, den Justizminister diese Woche getroffen zu haben, einen großen Freund Israels und jemand, der an vorderster Front im Kampf gegen Antisemitismus gestanden hat. Glückwunsch zu seiner neuen und herausfordernden Rolle als Außenminister.“ viii
Der Botschafter legte am Tag der Vereidigung der neuen Regierung mit einem Tweet nach, in dem er der Einschätzung des diplomatischen Korrespondenten des israelischen Channel 10, Barak Ravid, „von ganzem Herzen zustimmte“: ix Dieser hatte getwittert: „Der ehemalige deutsche Botschafter in Israel und bisherige politische Direktor des Auswärtigen Amtes, Andreas Michaelis, ist zum neuen Staatssekretär ernannt worden. Eine große Berufung für einen großen Freund Israels. Mazal Tov und viel Erfolg.“
Zweites Fazit : Freundliche Töne aus Israel – andererseits beendet Wolffsohn seine bereits erwähnte Analyse der außenpolitischen Linie unter Gabriel mit einem düsteren Blick auf den Koalitionsvertrag: „Die neue Koalitionsvereinbarung von Union und SPD verheißt – sei es aus Ideologie oder Ahnungslosigkeit – nahostpolitisch keine Besserung. Gabriel geht, Maas kommt, die deutsche Nahostpolitik bleibt, was und wie sie war: wortreich und erfolglos.“ Was es die Koalitionsvereinbarung anbelangt, mag Wolfssohn recht haben. Es bleibt aber ebenso zu hoffen, dass er sich in seiner Einschätzung von Heiko Maas irrt!
i http://www.handelsblatt.com/meinung/gastbeitraege/gastbeitrag-professor-tacheles-sigmar-gabriels-bilanz-als-aussenminister-ist-desastroes/21059532.html
ii https://www.n-tv.de/ticker/Gabriel-fordert-von-Israel-Strategie-zur-Konfliktloesung-article20262013.html
iii https://www.welt.de/politik/deutschland/video174557599/Antrittsrede-Heiko-Maas-Aussenpolitik-die-sich-wegduckt-ist-falsch.html. (Wortlaut aus der Videoaufzeichnung übernommen).
iv https://crp-infotec.de/uno-sicherheitsrat-mitglieder-2017/
v http://www.jpost.com/Diplomacy-and-Politics/Germany-and-Israel-both-up-for-UN-Security-Council-312973
vi http://www.zeit.de/news/2013-05/13/un-deutschland-und-israel-machen-sich-bei-un-sicherheitsrat-konkurrenz-13130202
vii https://www.unric.org/de/uno-schlagzeilen/27793-un-sicherheitsrat-italien-und-die-niederlande-teilen-sich-sitz
viii https://twitter.com/JIssacharoff/status/972040514215309312
ix https://twitter.com/JIssacharoff/status/973914422493270016