von Josias Terschüren
Dezember 2017
Josias Terschüren
Deutschland was ist nur los mit dir?
Wer wie ich im vergangenen Monat deutsche Nachrichten verfolgt hat und sich für die deutsche Staatsräson Israels Existenz und Sicherheit zu schützen, einsetzt, dem blieb angesichts der Geschehnisse nicht selten vor Entgeisterung oder blankem Entsetzen der Mund offen stehen.
Was sich da innerhalb eines Monats für eine Fülle von Indifferenz, moralischer Blindheit und Entgleisungen gegenüber Juden und dem Staat Israel in unserem Land gezeigt hat, ist einfach erschreckend!
Man möchte sich kneifen, um aus diesem schlechten Traum wieder aufzuwachen, doch es ist Realität. Wiederholt wurde deutlich, dass trotz immensem Engagement und Herz von Seiten einiger Landesregierungen, auf Bundesebene zu treffende Entscheidungen ausblieben, wenn sie den deutsch-israelischen Aufschwung verliehen hätten, hingegen getroffen wurden, wenn damit eine Stagnation oder Herabsetzung der Beziehungen verknüpft war.
Wenn Bundesminister die Beziehungen zu Israel beschädigen und die Israelfreundschaft der Länder bremsen
Herbert Reul, Innenminister in Nordrhein-Westfalen beispielsweise waren Ende Oktober die Hände gebunden, als er gegen das der Terrormiliz Hisbollah nahestehende islamische Zentrum Al Mahdi in Münster vorgehen wollte, nachdem dessen Vorsitzender Hassan Jawad proklamiert hatte: „Israel ist der Feind – wir leisten Widerstand.“ Die auf Bundesebene künstlich getroffene Unterscheidung in einen militärischen und einen politischen Arm Hisbollahs, verhindert momentan ein Verbot des Al Mahdi Zentrums, da der politische Arm nicht als Terrororganisation eingestuft wird. Nicht einmal die Hisbollah selbst trifft diese Unterscheidung zwischen den beiden Armen ihrer Organisation! i
Auch der Frankfurter Bürgermeister Uwe Becker und der hessische Minister für Wissenschaft und Kunst, Boris Rhein (beide CDU), bissen auf Granit, als es darum ging, die weltberühmten Bibel-Schriftrollen aus Qumran und Masada in 2019 für eine Ausstellung im Frankfurter Bibelmuseum in die Mainmetropole zu holen. ii Der Deal war eingefädelt und in trockenen Tüchern, alles was noch zum Glück und zum historischen Ereignis fehlte – reiner Papierkram so dachte man – war die rechtsverbindliche Rückgabezusicherung durch die Bundesregierung, doch die wurde nicht erteilt! Eine Schriftrolle aus Masada (Kernland Israel) erhielt die Zusicherung, drei Qumran-Schriftrollen, hingegen nicht. Qumran liegt nach Meinung des Auswärtigen Amtes und der Bundesregierung in „von Israel besetztem Gebiet“ – aus Angst vor eventuellen palästinensischen oder jordanischen Forderungen bezüglich der Fragmente erteilten die obersten Bundesbehörden in Berlin die Zusagen deshalb nicht, man gab präventiv auf. Die israelische Antikenverwaltung ließ den Deal daraufhin platzen: Einer „Ausleihe nach dem geografischen Fundort“ würde man nicht zustimmen. Bürgermeister Uwe Becker erklärte dazu: „Es kann und darf nicht sein, dass das verschobene Koordinatensystem einzelner Bundesminister beziehungsweise von Bundesministerien unser grundsätzliches Verhältnis zu Israel derart beschädigt, dass nun offensichtlich nicht einmal mehr Ausstellungen mit Fragmenten von kulturhistorisch bedeutsamen Bibel-Handschriften aus Israel gezeigt werden können. Wenn sich Deutschland weigert, Israel eine rechtsverbindliche Rückgabezusage für die Leihgaben aus Qumran zu geben (Immunitätszusage), dann baut die Bundesregierung eine Mauer zu den Ursprungsorten des Christentums auf. Denn was für Qumran gilt, gilt dann auch für Bethlehem, Jericho, Ostjerusalem und weitere Stätten des Wirkens Jesu Christi. Entweder hat hier jemand die Dimension dieser Fehlentscheidung nicht überblickt, oder man betreibt eine Politik, die aus meiner Sicht unvereinbar ist mit den grundsätzlichen Beziehungen zu Israel.“
Der moralische blinde Fleck
Ähnlich blind für die Dimension seiner Entscheidung zeigte sich auch Richter Wolfram Sauer vom Frankfurter Landesgericht, der sich Mitte November mit einer ganz anderen Causa zu beschäftigen hatte. iii Kuwait Airlines, die staatliche Fluggesellschaft des Emirats Kuwait, hatte sich geweigert Adar M., einen in Deutschland lebenden Israeli, von Frankfurt über Kuwait nach Bankok zu befördern, weil er Israeli ist. Die Fluggesellschaft berief sich darin auf ein 1964 in Kuwait verabschiedetes, antisemitisches Boykott-Gesetz. Richter Sauer folgte in seinem Urteil iv der Argumentation von Kuwait Airlines „Dass dieses Boykottgesetz den Kläger als israelischen Staatsangehörigen trifft, belastet ihn nicht in einer Weise, dass es für ihn unerträglich wäre.“ Deshalb sei es der Airline „auch im Rahmen der Geltung deutscher Gesetze nicht zumutbar“, den Kläger zu befördern, weil das in Kuwait unter Strafe steht. Mit anderen Worten: Kuwait Airlines darf sich wegen der antisemitischen Gesetze seines Landes weigern israelische Staatsbürger zu befördern.
Wenn Juden also wegen ihres Jüdisch-Seins in Deutschland diskriminiert werden, ist das so lange in Ordnung, wie man sich dabei auf im Ausland geltende antisemitische Gesetze beruft.
Wir in Deutschland erwarten nicht etwa eine Anpassung ausländischer Unternehmen an die deutsche Gesetzeslage, wenn sie in Deutschland tätig sein oder werden wollen. Andere Länder mit mehr Rückgrat, wie die USA oder die Schweiz hatten Kuwait Airlines wegen ähnlicher Vorfälle bereits Landerechte entzogen. Die Bundesregierung hat sich nun der Sache angenommen, der Anwalt von Adar M. hat Berufung gegen das Urteil eingelegt, das Frankfurter Oberlandesgericht hat jetzt die Möglichkeit dieses Urteil zu revidieren. Hoffentlich arbeiten die dortigen Richter und Staatsanwälte mit mehr Fingerspitzengefühl, als ihre Kollegen in Wuppertal, die es in 2016 in einer ähnlich prekären Situation in letzter Instanz verpassten, einen Brandanschlag auf eine Synagoge als antisemitischen Akt einzustufen.
Deutschland wirkt daran mit Jerusalem zu islamisieren
Leider gibt es nicht nur reaktive Eklats, sondern auch aktive zu vermelden: Bereits Ende November gab Deutschland seine Stimme zu einer Anti-Israel Resolution der Vollversammlung der Vereinten Nationen, die eine ähnliche Sprache beinhaltete, wie die jüngsten Resolutionen der UNESCO, die jeglichen jüdischen Bezug zum Tempelberg und israelische Ansprüche an Jerusalem negieren und die Stadt islamisieren. Die Bundesrepublik machte sich so gemeinsam mit der EU zum Handlanger der islamischen Nationen, die kurz vor dem sich abzeichnenden Schritt der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch die USA, auf internationaler Ebene intervenieren wollten, das ist schmählich! v
Die Geschehnisse im vergangenen Monat zeigen einmal mehr auf, wie wichtig es ist, in der Ausbildung der Staatsdiener einen größeren Nachdruck auf geschichtliche Bildung und Antisemitismus-Erkennung und -bekämpfung zu legen.
Das gilt sowohl für Richter und Staatsanwälte, als auch für die Polizei, wie die Passivität der Berliner Polizei angesichts des Verbrennens jüdischer und israelischer Fahnen gezeigt hat.
Die Aktivität, Hingabe und Freundschaft vieler Politiker auf Städte- und Landesebene gibt Grund zur Hoffnung, dass die deutsch-israelische Freundschaft sich auch forthin gedeihlich entwickeln kann und wird. Angesichts der jüngsten Entscheidungen der politischen Führungsriege unseres Landes in solchen Fragen, die Israel und das Judentum betreffen, scheint ein solcher Gegenpol auch dringend geboten. Bemerkenswert ist, dass die entsprechenden oben zitierten Entscheidungen auf Bundesebene von CDU-geführten Ministerien getroffen worden sind!
Zu der offenen deutschen Kritik und Ablehnung vi der Entscheidung des US-Präsidenten Donald J. Trump vom 6. Dezember 2017, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, hat die Initiative 27. Januar ein gesondertes Statement veröffentlicht. vii Ebenso zu den darauffolgenden, antisemitischen Ausschreitungen mit Flaggenverbrennungen in Berlin und München viii am 8. Dezember 2017. ix
i http://www.defenddemocracy.org/media-hit/benjamin-weinthal-hezbollah-aligned-german-center-declares-resistance-against-israel/
ii http://www.ekhn.de/aktuell/detailmagazin/news/qumran-ausstellung-geplatzt.html
iii http://www.mena-watch.com/mena-analysen-beitraege/israel-boykott-verliert-kuwait-airways-landerechte-in-deutschland/
iv http://www.bild.de/politik/inland/urteil/urteilsbegruendung-kuwait-airways-53960486.bild.html
v http://jpost.com/Israel-News/UN-disavows-Israeli-ties-to-Jerusalem-515730
vi https://twitter.com/RegSprecher/status/938502462759227393
vii https://www.facebook.com/initiative27januar/posts/1504545336281076
viii https://twitter.com/JFDA_eV/status/939227775726227456
ix https://www.facebook.com/notes/initiative-27-januar/statement-der-initiative-27-januar-zu-den-antisemitischen-ausschreitungen-in-ber/1509343282467948/
Beitragsbild: Pesher Habakkuk Scroll, marked as public domain, more details on Wikimedia Commons