Europa und Israel unter einer neuen EU Kommission

Ein Neustart, ein Weiter so oder eine Abwärtsspirale?

In diesem Jahr wurde in Europa neue Kommission gewählt und vereidigt, die am 1. Dezember 2019 ihr Amt in herausfordernden Zeiten angetreten hat. Wir haben Porträts von zwei führenden Persönlichkeiten zusammengestellt, die in der künftigen Gestaltung der Beziehungen zwischen der EU und Israel ein großes Mitspracherecht haben dürften: Ursula von der Leyen, die neue Präsidentin der Europäischen Kommission und ihr Vizepräsident und Hoher Vertreter der Europäischen Union, Josep Borrell. Darüber hinaus finden Sie auch unsere Stellungnahme zum jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das die Kennzeichnungspflicht für israelische Produkte mit Ursprung jenseits der grünen Linie bestimmt.

Ursula von der Leyen

 Ursula von der Leyen, Deutschlands ehemalige Familienministerin und Verteidigungsministerin hat es nun an die Spitze Europas geschafft. Am 1. Dezember übernahm sie im 13. Stockwerk des Berlaymont in Brüssel das Steuer der EU-Kommissionsleitung von Jean-Claude Juncker. Von der Leyen, Aristokratin, in Brüssel geboren, ausgebildete Medizinerin, Mutter von sieben Kindern und Kronprinzessin von Angela Merkels Gnaden, gelang es schlussendlich, die Zustimmung des EU-Parlaments zu ihrer Ernennung als Kommissarin zu erreichen – mit Hilfe der euroskeptischen Stimmen Polens und Ungarns. Das makellose Bild der immer lächelnden, mehrsprachigen Vorzeige-Europäerin mit ihrer Wir schaffen es!-Haltung und einem sechsten Sinn für Publicity und öffentlichkeitswirksamer Selbstdarstellung wurde kürzlich getrübt von einer noch laufenden Untersuchung der Parlamentarischen Kommission zu Ungereimtheiten bei Beraterleistungen während ihrer Amtszeit im Bundesministerium der Verteidigung.

Die manchmal unkonventionelle Christdemokratin, die für ihre eher liberalen Ansichten über Ehe bekannt ist, verfügt über eine nachgewiesene und solide Erfolgsbilanz bei Themen, die jüdische oder israelische Themen betreffen. Während ihrer Amtszeit als Verteidigungsministerin ermöglichte sie Rabbinern und Imamen, sich dem Kaplanskorps der Bundeswehr anzuschließen. Außerdem sprach sie sich stets gegen Antisemitismus aus. Unter von der Leyen als starker Befürworterin der deutschen Staatsräson, für die Sicherheit des jüdischen Staates Israel einzutreten, hat sich die militärische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Israel verstärkt. Während ihrer Amtszeit hat Deutschland den Verkauf von drei U-Booten der Dolphin-Klasse an die israelische Marine genehmigt und subventioniert. Bei ihrem Besuch in Israel als Vertreterin der Bundesregierung anlässlich des 50. Jahrestages der deutsch-israelischen diplomatischen Beziehungen berichtete Ursula von der Leyen persönlich über die Entscheidung der Bundesregierung, vier hochmoderne Korvetten zu verkaufen, wobei Deutschland wieder ungefähr ein Drittel der Kosten übernimmt. Weiterhin schloss Deutschland Heron-TP Leasingverträge in der Größenordnung von ungefähr 900 Millionen Euros mit Israel ab.

Politisch befürwortet von der Leyen stark die Zweistaaten-Lösung, bezeichnete das Atomabkommen mit dem Iran ein „angemessenes Geschäft“ und lehnt die US-amerikanische Position zu Jerusalem ab. Mit ihren guten transatlantischen Referenzen wird die neue Kommissionspräsidentin – die auch vier Jahre in den USA gelebt hat –die zunehmend auseinanderdriftenden transatlantischen Beziehungen neu beleben und ausrichten müssen. Das Washingtoner Middle East Institute gibt eine gute Einschätzung [1], nach der es zu einer möglichen Unterteilung innerhalb der neuen EU-Kommission in Fragen des Nahen Ostens kommt. Die beiden Pole innerhalb der Kommission dürften die Israel-freundliche Ursula von der Leyen und der eindeutig israelkritische neue Hohe Vertreter der Europäischen Union, Josep Borrell, sein.

Josep Borrell  

Josep Borrell ist katalanischer Sozialist, früherer Außenminister Spaniens, und nun Hoher Vertreter der Europäischen Union und damit einer der drei Vizepräsidenten der Europäischen Kommission. Die US-amerikanische Tageszeitung Politico berichtete im Jahr 2012 über einen Interessenkonflikt-Skandal, in den Borrell verwickelt war: sechsstellige, nicht offengelegte Einkünfte von einem Energiekonzern führten zu seinem Rücktritt als Präsident des Europäischen Hochschul-Institutes [2]. Borrells bisherige Laufbahn als überzeugter Israel-Kritiker zeigt besorgniserregende Tendenzen sowie geradezu skandalöse Äußerungen und Positionen, wenn es um den einzigen jüdischen Staat und das iranische Regime geht. So war die israelische Presse, einschließlich der Jerusalem Post [3], der Times of Israel [4] und Israel Hayom [5] nach Bekanntwerden seiner Nominierung voll von äußerst kritischen Kommentaren. Aber auch arabische Medien wie die in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässige Zeitung The National titelte: „Die Nominierung von Josep Borrell für die Hohe Vertreterin der EU löst einen Aufschrei aus“. Im Untertitel hieß es: „Borrell, ein Unterstützer des iranischen Regimes wird die EU Verhandlungen über das iranische Atomabkommen führen.“

Nach seinem Amtsantritt als spanischer Außenminister im Jahr 2018 sprach er sich wiederholt für eine einseitige spanische Anerkennung der palästinensischen Staatlichkeit aus. Er kritisierte Trumps Entscheidung zu Jerusalem scharf und verurteilte den israelischen Umgang mit den Unruhen im Gazastreifen: Er schrieb in einem Kommentar über die Feierlichkeiten anlässlich des 70. Geburtstages des modernen Staates Israel, dass sie „blutüberströmt seien, der Schwarze Montag spiegele die Entmenschlichung der Palästinenser durch einen großen Teil der israelischen politischen Klasse und Gesellschaft wider.“ Andererseits lebte Borrell einmal in Israel, wo er seine erste Frau in einem Kibbuz kennenlernte. Israel ist ihm also nicht fremd. Bei einem Besuch in der israelischen Knesset im Jahr 2005 als Präsident des Europäischen Parlaments erkannte er Israel sogar als jüdischen Staat an – eine Rarität bei europäischen Politikern. Aber es scheint, als würde diese „israelfreundliche Phase“ zu Ende gehen.

Seine skandalöseste Aussage in Bezug auf Israel kam, als der ausgesprochene Trump-Kritiker über die transatlantischen Beziehungen bei Politico diskutierte. Er sprach von einer „völligen Meinungsverschiedenheit zwischen den Vereinigten Staaten und Europa“ und legte noch nach: „Es geht nicht mehr um konkurrierende Handelsinteressen. Es geht um auseinanderdriftende Werte“. Und dann ließ er die Bombe fallen: „Der Iran will Israel auslöschen; das ist nichts Neues. Damit muss man leben“ [6]. Carnegie Endowment for International Peace gibt eine gute Zusammenfassung der Beziehungen zwischen der EU und Israel unter Mogherini mit einem nüchternen Ausblick auf die künftige Amtszeit von Josep Borrell [7].

[1] https://www.mei.edu/publications/european-commissions-new-president-and-mena-region-status-quo-or-change
[2] https://www.politico.eu/article/borrell-forced-to-resign-over-energy-interests/
[3] https://www.jpost.com/Middle-East/Top-EU-foreign-policy-nominee-has-record-of-slamming-Israel-praising-Iran-594633
[4] https://www.timesofisrael.com/tough-on-israel-fond-of-iran-jerusalem-wary-of-incoming-eu-foreign-policy-czar/
[5] https://www.israelhayom.com/2019/07/04/eu-appoints-outspoken-israel-critic-foreign-policy-chief/
[6] https://www.politico.eu/newsletter/brussels-playbook/politico-brussels-playbook-hungarys-change-of-heart-us-eu-relationship-burns-fighting-words/
[7] https://carnegieendowment.org/sada/79985