von Josias Terschüren
Februar 2018

Josias Terschüren

Offenbarungseid der Koalitionsverhandlungen

Nach einer 5-monatigen Hängepartie, in der Politiker der gerade miteinander verhandelnden Parteien den Wähler mit leeren Worthülsen nach durchnächtigten Verhandlungsmarathons langweilten und hinhielten, rangen sich die Parteispitzen von CDU/CSU und SPD am 7. Februar zu einer Entscheidung durch, man wollte die Zwangsheirat. Lediglich der Mitgliederentscheid der SPD steht jetzt zwischen dem Willen der politischen Entscheider und der tatsächlichen Wiederauflage der Großen Koalition.

Europe first – means Israel not last, but least

Diese Große Koalition positioniert sich mit ihrem Koalitionsvertrag i als Gegenpol zum Trump‘schen Amerika – während dort unter den Slogans „America first“ und „Make America Great Again“ Politik des nationalen Interesses gemacht wird, setzt die GroKo ganz auf „Europe first“. Tatsächlich beginnt die Präambel des Vertrags als wäre sie für die nächste Europäische Kommission geschrieben, nicht von der künftigen Regierung eines souveränen Nationalstaats. Der Traum des designierten neuen deutschen Außenministers, Martin Schulz, von den Vereinigten Staaten von Europa, hat anonym seinen Weg in den Koalitionsvertrag gefunden.

Die absolute Ausrichtung der deutschen (Außen-)Politik an Europa verheißt für die deutsch-israelischen Beziehungen nichts Gutes.

Was bedeutet die neue alte Große Koalition für die deutsch-israelischen Beziehungen?

Ein erster Entwurf der AG Außen ii, in der sich Außenpolitiker von CDU/CSU und SPD zusammengesetzt hatten, um unter der Überschrift „Region des Nahen und Mittleren Ostens, Golfregion und Nordafrika“ die deutsche Nahost- und Israelpolitik der nächsten vier Jahre auszuhandeln, stellte eine radikale Abkehr von der bisherigen GroKo-Politik dar (basierend auf dem Koalitionsvertrag von 2013 iii) – hin zu einer noch einseitigeren, pro-palästinensischen, israelkritischen und antiamerikanischen Nahost-Politik. Weder der Charakter Israels als „jüdischer und demokratischer Staat“, noch das Einstehen für die Sicherheit Israels hatten ihren Eingang in den Entwurf gefunden. Während man Israel dezidiert den Siedlungsbau vorwarf, gab es keine ähnlich kritische Referenz gegenüber den Palästinensern. Entsprechend bestürzt, gar entsetzt zeigten sich jüdische Verbände, israelsolidarische NGOs und politische Vertreter der bisherigen deutschen Staatsräson und liefen Sturm.

Die Deutsch-Israelische Gesellschaft schlussfolgerte in einer brandbrief-ähnlichen Stellungnahme drastisch man lege eine „Axt an das freundschaftliche Verhältnis zu Israel“ iv, das Nahost Friedens Forum (Naffo) reagierte „mit größt-denkbarer Bestürzung“.

Das so kritisierte Papier, für das laut BILD-Informationen maßgeblich der bisherige Außenminister Sigmar Gabriel und der CDU-Außenausschussvorsitzende Norbert Röttgen verantwortlich zeichneten, wurde in seiner Endfassung schließlich deutlich differenzierter und ausgeglichener. Aber halt erst nach teils wütenden, teils diplomatischeren Interventionen, die bis hin zur Kanzlerin gelangten. Die DIG dankte diesbezüglich ausdrücklich den Bundestagsabgeordneten Gitta Connemann (CDU), Christian Lange (SPD) und der ehemaligen Bundestagsabgeordneten Michaela Engelmeier (SPD) v, deren exzellenter Brief an die SPD-Verhandlungsführer Schulz, Nahles und Klingbeil von Gerd Buurmann auf seinem Blog Tapfer im Nirgendwo veröffentlicht wurde. vi Die starke Schlagseite des ersten Koalitionsvertragsentwurfes bzgl. Israel lässt tief in die Seele des außenpolitischen und diplomatischen Establishments blicken!

Wir sind Freunde, aber ich weiß auch nicht warum – Haltung eines Außenministers, der sich selbst ins Abseits redet

Wie Sigmar Gabriel jüngst auf seiner vorab letzten offiziellen Israelreise offenbarte, fiele es ihm, Menschen wie ihm (Auswärtiges Amt?) und seinen Parteigenossen immer schwerer die „ungerechte Behandlung der Palästinenser“ anzunehmen und zu erklären, warum wir als Deutsche und als Bundesrepublik Deutschland Israel weiter unterstützen sollten. vii Diese Schwierigkeit Gabriels wird sicht- und greifbar für jeden, der das besagte erste Papier der AG Außen liest, man findet kein positives Wort über Israel darin! Dass es mehr als genug Gründe und Anlass gegeben hätte, mit denen man deutsche Unterstützung für Israel hätte erklären können, zeigt Buurmann. viii

Kann Martin Schulz Israel erklären?

Doch sowohl die Endfassung des Koalitionsvertrages, als auch der designierte Kandidat für den Posten des Außenministers haben eklatante Schwächen – zum Vertrag: Es gibt keine Referenz zur Hamas oder zu den jüngsten Beweisen der absoluten Friedensunwilligkeit von Mahmud Abbas und der Palästinensischen Führung: Abschwur von Oslo, Gratulation zu Terrorattacken und Bezeichnung Israels als „kolonialistisches Unterfangen, das nichts mit dem Judaismus zu tun hat.“ ix Diese bleiben alle ebenso unerwähnt, wie „Aufrufe zu Gewalt und Hetze“ anonym und undefiniert bleiben. Hatte man im Koalitionsvertrag von 2013 noch auf das 50. Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zum Staat hingewiesen und versprochen, dieses „angemessen zu würdigen“, so fehlt eine ähnliche Referenz in 2018 völlig, obgleich doch in diesem Jahr das 70. Jubiläum der Staatsgründung Israels ansteht, das laut CDU ein Grund zum Feiern sei. x Zu Martin Schulz: Wer als deutscher Spitzenpolitiker in der israelischen Knesset ungeprüft palästinensische Propaganda über Wasserdiebstahl nachplappert… Wer bei der modernen Neuauflage des mittelalterlichen antisemitischen Tropus der jüdischen Brunnenvergifter durch Mahmud Abbas im Europaparlament von einer „inspirierenden Rede“ twittert… Dessen Fähigkeiten die deutsch-israelischen Beziehungen zu stärken und deren Wichtigkeit zu erklären darf zumindest stark in Frage gestellt sein. So fühlt man sich beim Wechsel von Gabriel auf Schulz an das deutsche Sprichwort „vom Regen in die Traufe“ erinnert.

Fazit:

Die deutsche Position in der Israelpolitik à la Koalitionsvertrag unterminiert die amerikanischen Bemühungen die toten Friedensverhandlungen mit den Palästinensern wiederzubeleben, indem man stur an liebgewonnenen europäischen Dogmen und Phrasen festhält. Diese machen Israel einseitig für die Nicht-Existenz von Frieden verantwortlich und blenden palästinensische Nachlässigkeiten, Vergehen, verbale Brandstiftungen oder gar terroristische Attacken aus, anonymisieren oder verharmlosen diese. Ob Jerusalem, Siedlungen oder UNRWA: Man hält weiterhin an festgefahrenen, dogmatischen Positionen fest – wider besseren Wissens unterstellt man den Palästinensern guten Willen, hofiert ihre Interessen und konterkariert damit amerikanische Friedensbemühungen. Der Koalitionsvertrag macht deutlich, dass man unter deutscher Führung die EU zum Mittler im Friedensprozess aufbauen möchte, das geht nur zulasten Israels.

Doch gute Beziehungen zu den USA und Israel, die als richtige Antwort und Reaktion auf das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte erwachsen sind, dürfen nicht auf dem Altar einer pro-iranischen und EU-bestimmten Nahostpolitik geopfert werden.


i https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/koalitionsvertrag_2018.pdf?file=1
ii http://m.bild.de/politik/inland/grosse-koalition/eklat-um-israel-passage-in-groko-papieren-54678936.bildMobile.html
iii https://www.cdu.de/sites/default/files/media/dokumente/koalitionsvertrag.pdf
iv http://www.deutsch-israelische-gesellschaft.de/pressemitteilungen/index/category/allgemein/showme/koalitionspapier-axt-an-das-freundschaftliche-verhaeltnis-zu-israel
v https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=1830262973673556&id=143611712338699&ref=bookmarks
vi https://tapferimnirgendwo.com/2018/02/03/das-ist-einseitig/
vii https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/gabriel-inss/1426598
vii https://tapferimnirgendwo.com/2018/02/03/sigmar-gabriel-faellt-es-schwer-zu-erklaeren-warum-die-unterstuetzung-israels-weitergehen-muss/
ix https://www.memri.org/tv/mahmoud-abbas-plo-should-reexamine-agreements-with-israel-we-will-not-accept-america-as-mediator/transcript
x Die CDU antwortete im Zuge unserer Politikerbefragung „Wahlprüfsteine 2017 Deutschland-Israel“ auf die Frage, ob der Staatsgründungstag Israels im Mai 2018 ein Grund sei in Deutschland zu feiern mit „ja, absolut“.


Beitragsbild: Tobias KochBundestagsplenum (Tobias Koch)CC BY-SA 3.0 DE