von Josias Terschüren
Februar 2019

Josias Terschüren

Europäische Emanzipation von Amerika zugunsten Irans, zulasten Israels

Die Unterzeichnung des Aachener Vertrages mit der Französischen Republik am 22. Januar 2019 war ein geschichtsträchtiges Datum für die Bundesrepublik Deutschland. Die darin beschlossene noch engere Verbindung mit Frankreich, die vor allem im Grenzgebiet einem Verschmelzen beider Staaten entgegenstrebt, ist der bisherige Höhepunkt in der Weiterentwicklung eines der Schlüsse, die Deutschland aus seiner verhängnisvollen Geschichte, vor allem aus dem Holocaust gezogen hat und der unter den Schlagworten „Europäische Integration“ und „Europäische Union“ einen zentralen Pfeiler deutscher Außenpolitik bildet.

Die im Artikel 4 des Aachener Vertrages geregelte Vertiefung der Zusammenarbeit der deutschen und französischen Rüstungsindustrie und Streitkräfte bildet einen Zwischenschritt hin zu einer „echten europäischen Armee“ wie von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zum 100. Jahrestag des Endes des ersten Weltkrieges gefordert und von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Grundsätzen unterstützt. Europa müsse sich verteidigen „mit Blick auf China, auf Russland und sogar auf die Vereinigten Staaten“ hatte Macron dem Radiosender Europe 1 damals gesagt und rief damit, wohlfeil provoziert, eine wütende Twitter-Reaktion des US-Präsidenten hervor. [i] Die transatlantische Partnerschaft, laut Auswärtigem Amt, „neben der europäischen Integration der wichtigste Pfeiler der deutschen Außenpolitik.“,[ii] sieht sich zunehmenden Spannungen ausgesetzt. Denn während Westeuropa enger zusammenrückt, versucht sich vom US-amerikanischen Einfluss zu emanzipieren und Antworten auf Trumps „America First“ Doktrin zu finden, muss es gleichzeitig sicherstellen, weder Amerikas Schutz und militärisches Abschreckungspotential vor allem gegenüber Russland zu verlieren, noch dem florierenden Handel mit den USA zu schaden. Das Ergebnis dieser Spannungen tritt in der Außenpolitik gegenüber dem Nahen Osten besonders deutlich zu Tage, divergieren doch die Auffassungen Amerikas und Europas hier sehr deutlich. Das Hin- und Hergerissen-Sein führte zu dem jüngsten außenpolitischen Eiertanz der Bundesregierung vis-á-vis Iran.

Deutschland weist den Iran in die Schranken…

Wer in der jüngeren Vergangenheit die Politik der Bundesregierung gegenüber dem Iran mitverfolgt hat, der mag sich das ein oder andere Mal selbst gekniffen haben, ob der Verblüffung über vermeintliche Widersprüche in der deutschen Haltung, die erstaunlich deutlich zu Tage getreten sind. So unterband die Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel noch im August letzten Jahres auf US-amerikanischen Druck hin, den Heimtransport iranischer Dollar-Reserven in Höhe von 400 Millionen US-Dollar aus Deutschland per Frachtflugzeug [iii] und entzog im Januar 2019 Irans zweitgrößter Airline „Mahan Air“ die Überflug-, Start- und Landerechte für das Bundesgebiet.[iv]

Das begrüßenswerte Flugverbot für Mahan Air ist ein substantieller Schritt, der den Iran deutlich in die Schranken weist und wütende Reaktionen aus Teheran hervorgerufen hat. Die Ausweitung von US-Sanktionen gegenüber allen Dienstleistern, die für Mahan Air arbeiten, verbunden mit der klugen Diplomatie des US-Botschafters Richard Grenell, machten diesen Schritt unausweichlich. [v] Das Auswärtige Amt nahm in seiner Begründung Bezug auf die in Europa geplanten Anschläge des Iran in Paris und Dänemark und führte völlig zurecht auch den Transport von Kriegsmaterial und Truppen für den Einsatz im Syrienkonflikt an. Der Schritt, von amerikanischen Sanktionen diktiert, war von der inneren Motivation her dennoch in erster Linie ein von europäischen Sicherheitsinteressen gelenkter.[vi] [vii] Die existentielle Bedrohung Israels durch den Iran, auf die man auch hätte verweisen können, blieb ungenannt.

Um ihn dann wieder aufzupeppeln…

Während man das iranische Regime für seine Terrorplanung auf europäischem Boden in die Schranken verwies, arbeitete man im Auswärtigen Amt und im Wirtschaftsministerium gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien zeitgleich unter Hochdruck daran, die Finanzierung desselben Regimes gegen den Druck amerikanischer Sanktionen zu verteidigen. Das „Special Purpose Vehicle“ (SPV), das gestern am 31.01.2019 unter der Firmierung Instex das Licht der Welt erblickte,[viii] soll europäischen Firmen dabei helfen, die amerikanischen, dollar- und swift-basierten Sanktionen gegenüber dem Iran zu umgehen, ohne deren Biss zu spüren zu bekommen. Dass der Aufbau dieser multilateralen Tauschbörse den Amerikanern und auch Israel, sowie den arabischen Nachbarn, die von iranischen Aggressionen direkt betroffen sind, extrem missfällt, versteht sich von selbst, doch die E3 wollen es wissen!

Dabei wird unter Experten der Wirkungsgrad des neuen Konstruktes zu Beginn als eher gering ausgeprägt eingeschätzt. Zu Beginn wird es wohl auf den Tausch von Öl gegen Nahrungsmittel, sowie pharmazeutische und medizinische Produkte herauslaufen, wenngleich man natürlich betont, das Vehikel ließe sich in seinem Umfang noch ausbauen. Dieses „humanitäre Modell“ hatte ursprünglich die Schweiz für ihre wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran unter dem Sanktionsregime der USA entwickelt, mit Billigung der USA. Der iranische Vizeaußenminister Abbas Araghchi verlieh deshalb am Donnerstag auch seiner Hoffnung Ausdruck, das Vehikel werde künftig sämtliche Güter und Gegenstände abdecken. Im Klartext bedeutet das, dass der Iran auch in Zukunft aus Deutschland stammende technologische, sowie chemische Produkte beziehen und über den neuen Finanzierungsmechanismus abwickeln möchte. Doch hier droht Gefahr! Wiederholte Reporte des Verfassungsschutzes belegen das iranische Bestreben an sogenannte Dual-Use-Güter zu gelangen, die sowohl zivil, wie auch militärisch für die Herstellung von Massenvernichtungswaffen genutzt werden können. So wie das Elektroisoliermaterial der schwäbischen Firma Krempel, das der Iran in der Vergangenheit nutzte, um Giftgasraketen für die Verwendung in Syrien zu bauen, die BILD-Zeitung berichtete. [ix]

Fatale Signalwirkung

Bislang ist das Hervorkommen von Instex mehr politisches Signal in Richtung Iran und die USA, gegenüber US-Sanktionen nicht kampflos klein beigeben zu wollen, denn wirtschaftlicher Game-Changer! Wirtschaftsminister Peter Altmaier brachte die deutsche Haltung auf den Punkt, als er sagte, man ließe „sich aus Washington keine Handelsbeziehungen diktieren.“ Durch die Leitung des Deutschen Per Fischer, seines Zeichens langjähriger Bankmanager bei der Commerzbank und mit Miguel Berger, einem deutschen Top-Diplomaten im Aufsichtsrat, ist Deutschland bei Instex prominent und führend vertreten. Doch die eigentliche Frage ist nicht die Effizienz des Systems, über die wir noch nichts wissen, sondern die, welche Signale diese Symbolpolitik sendet und die sind fatal. Wie kann es sein, dass ein deutscher Außenminister innerhalb von 24 Stunden der Opfer des Holocaust gedenkt, um sich dann umzudrehen und um jeden Preis dem genozidalen Todfeind Israels wirtschaftliche Unterstützung zu ermöglichen?

Bislang hat Merkel der mächtigen Wirtschaftslobby innerhalb des von den USA gesteckten Rahmens, weitgehend erlaubt, die deutsche Außenpolitik gegenüber dem Iran zu bestimmen, ganz zu Lasten der deutsch-israelischen Beziehungen und der Sicherheit Israels. So begrüßenswert wie diplomatische Anstrengungen Deutschlands dafür, den Iran aus der Grenzregion zu Israel heraushalten zu wollen auch sein mögen, so ineffektiv sind sie auch. Der iranische Himmler, General Soleimani, seines Zeichens Anführer der iranischen Revolutionsgarden, ließ sich nur 40 Kilometer von der israelischen Grenze fotografieren und beaufsichtigte den Abschuss einer fortschrittlichen Boden-Boden-Rakete auf israelisches Staatsgebiet persönlich.[x] Vladimir Putin, der ebenso wie Merkel versprochen hatte, den Iran aus dem Grenzgebiet heraushalten zu wollen, vollzog seitdem eine klare außenpolitische Wende und ließ seinen Vizeaußenminister verkünden es gebe kein russisches Militärbündnis mit Teheran. Im Gegenteil, die Sicherheit des Staates Israel habe für Russland „oberste Priorität“. Ein ähnlich deutlicher Umschwung Deutschlands steht noch aus. Es wäre wünschenswert, die Bundesregierung würde Menschenrechte, die Sicherheit Europas und Israels in allen Belangen gegenüber den Handelsbeziehungen mit dem Iran vorne anstellen. Instex zeigt, dass deutsche Außenpolitik richtig kreativ sein kann, schade nur, dass diese Kreativität zugunsten des größten Terror-Exporteurs der Welt genutzt wird, vor dessen existenz-bedrohlichen Anschauungen und Potential gegenüber Israel die Bundeskanzlerin anlässlich des Holocaust-Gedenktages zurecht gewarnt hatte! [xi]

Die Gretchenfrage

Auch nachdem Ayatollah Khamenei im Juni 2018 seine Israel-Vernichtungsfantasien getwittert hatte, sagte Merkel, Deutschland werde „alle diplomatischen Bemühungen unternehmen“, die iranischen Milizen aus dem grenznahen Gebiet zurückzudrängen. Machen wir uns nichts vor, diplomatische Worte werden den Iran nicht davon abhalten, Israel anzugreifen und zu bedrohen. Es ist an der Zeit die einzige wirklich wirksame deutsche Waffe gegen iranische Aggression gegenüber Israel ins Feld zu führen, das ist nicht die Diplomatie, sondern unsere Wirtschaftsmacht.


[i] https://twitter.com/realDonaldTrump/status/1062311785787744256
[ii] https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/grundprinzipien-deutscher-aussenpolitik/216474#content_5
[iii] https://www.washingtonexaminer.com/opinion/iran-is-trying-to-bring-home-terror-cash-from-germany-but-angela-merkel-may-stop-them
[iv] https://thehill.com/opinion/international/427410-unfriendly-skies-mahan-air-should-be-grounded-for-good
[v] https://www.washingtonexaminer.com/opinion/the-unstoppable-envoy
[vi] https://twitter.com/AuswaertigesAmt/status/1087384049973383170
[vii] https://twitter.com/AuswaertigesAmt/status/1087383296336633857
[viii] https://www.dw.com/en/instex-europe-sets-up-transactions-channel-with-iran/a-47303580
[ix] https://www.bild.de/politik/ausland/headlines/gas-deutsche-teile-54697308.bild.html
[x] https://www.welt.de/debatte/kommentare/article187889476/Nahost-Iran-eskaliert-gegen-Israel-Und-Russland-laesst-das-zu.html
[xi] https://www.dw.com/en/angela-merkel-israel-has-right-to-defend-itself-against-iran-in-syria/a-47261467