von Josias Terschüren
Juni 2019

Josias Terschüren

Hoffnungsvolle Signale und der Kampf um die Israelfreundschaft in der Union

Im letzten Monitoring Report vom April befassten wir uns ausgiebig mit dem FDP-Antrag zur Änderung des Abstimmungsverhaltens Deutschlands in den Vereinten Nationen zugunsten Israels im Sinne der deutschen Staatsräson. Der Antrag war im März mit 408 zu 155 Stimmen, bei 63 Enthaltungen abgelehnt worden und hatte international für Schlagzeilen gesorgt, erweckte er doch den Anschein, im deutschen Parlament herrsche Israelfeindlichkeit vor. Seitdem hat dieser Antrag trotz seines Scheiterns im Plenum wichtige Dinge in Gang gesetzt und einige positive Entwicklungen gezeitigt!

„Deutschland steht auch in den Vereinten Nationen an der Seite Israels“

Zum einen wäre da die Thematik des Antrags zu nennen: das Abstimmungsverhalten Deutschlands in den Vereinten Nationen bezüglich israelrelevanter Resolutionen. Am 11. Mai 2019 veröffentlichte das Auswärtige Amt eine erstaunliche Pressemitteilung anlässlich des 70. Jahrestages der Mitgliedschaft Israels bei den Vereinten Nationen.[1] Das Statement hat einen ausgesprochen positiven Gesamt-Tonus, bedient sich dankenswerter Weise kaum diplomatischer Floskeln, sondern kommt mit klaren Worten auf das vom FDP-Antrag angesprochene Problem der Voreingenommenheit der Vereinten Nationen gegenüber Israel zu sprechen:

„Dass Israel heute noch in den Gremien der Vereinten Nationen in unangemessener Form kritisiert, einseitig behandelt und ausgegrenzt wird, besorgt die Bundesregierung sehr. Deutschland hat eine feste Zusage gegeben, auch als Nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen als Freund Israels zu handeln, einer unfairen Behandlung Israels in den Vereinten Nationen entgegenzutreten und Israels legitime Interessen zu unterstützen. Hierfür werden wir uns weiter mit Nachdruck einsetzen.“

Das Auswärtige Amt bekräftigt zudem: „Die Bundesregierung nimmt diesen 70. Jahrestag zum Anlass zu bekräftigen, dass Deutschland auch in den Vereinten Nationen an der Seite Israels steht.“

Dieses Statement war eine Sternstunde deutscher Diplomatie in den deutsch-israelischen Beziehungen (abgesehen von dem vergeblichen und nicht wahrheitsgemäßen Versuch des Auswärtigen Amtes, sich darin zweifach durch ein geschickt eingeschobenes „weiter“ / „weiterhin“ als Israelunterstützer in der UNO zu gerieren). Vorausgesetzt, dieses Statement wird tatsächlich zukunftsweisend und sorgt für entsprechende Voten.

Denn bis dahin sprach der deutsche Voting-Record in den Gremien der UNO leider eine andere Sprache: Deutschland unterstützte zuletzt 16 von 21 gegen Israel gerichteten Resolutionen. Diese Diskrepanz zwischen Selbstbild und Wirklichkeit deutscher Außenpolitik war auch in den sozialen Medien Vielen aufgefallen und wurde ob der irreführenden Behauptung ausgiebig diskutiert und bemängelt. Doch auch hier hat sich bereits etwas getan und bewegt, denn die Bundesrepublik hat in einer Abstimmung in der WHO (World Health Organisation) am 22. Mai erstmalig aktiv gegen eine stark gegen Israel gewandte Resolution gestimmt, wie die BILD-Zeitung berichtete.[2] Auch in Israel registrierte man diese Entwicklung wohlwollend und der israelische Botschafter Jeremy Issacharoff bedankte sich auf Twitter bei Außenminister Heiko Maas und Gesundheitsminister Jens Spahn.[3]

Anti-BDS-Beschluss des Bundestages: Deutschlands Führungsrolle im Kampf gegen Antisemitismus.

Eine weitere positive Entwicklung nach dem abgelehnten FDP-Antrag war der erneuten Aktivität von Frank Müller-Rosentritt und Bijan Djir-Sarai zu verdanken, die einen weiteren Gesetzesvorschlag[4] einbrachten, und zwar zum Thema der antisemitischen BDS-Bewegung (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen), einem losen Zusammenschluss verschiedenster nationaler und internationaler Organisationen mit dem Ziel, den Staat Israel zu delegitimieren, zu dämonisieren und mit doppelten Standards zu messen. Die Bewegung gibt vor, sich lediglich im gewaltfreien Widerstand gegen die vermeintliche israelische Besatzung zu üben, lehnt aber letztendlich den Staat Israel, ganz gleich in welchen Grenzen, ab und stellt damit das Existenzrecht Israels infrage – oder lässt es zumindest bewusst offen. Außerdem setzen Aktivisten der Bewegung immer wieder gezielt Juden und Israelis zu, boykottieren israelische Wissenschaftler, Künstler, Politiker, Sportler, kleben „Don’t buy“-Sticker auf israelische Produkte, was stark an den Nazi-Slogan „Deutsche kauft nicht bei Juden“ erinnert. Und dies ist nicht die einzige Anlehnung: So stellte die BDS-Bewegung zum Zeitpunkt des Eurovision Song Contests (ESC), der in diesem Jahr in Tel Aviv stattfand, ihren Boykottaufruf mit einem abgeänderten Logo des ESC ins Netz, in dessen Zentrum sich ein zerbrochenes Herz in Form von SS-Runen befand!

Mit dem Anti-BDS-Antrag setzte die FDP von Anfang an auf einen parteiübergreifenden Ansatz (dessen Fehlen war Hauptkritikpunkt bei dem abgelehnten Antrag zwei Monate vorher),dem es dann auch zu verdanken war, dass dieser Antrag mit den Stimmen der Union, der SPD, der Grünen (mit Ausnahme einer Gruppe rund um Jürgen Trittin und Claudia Roth[5]) und natürlich der FDP durchging und das Signal sendete: Deutschland übernimmt eine Führungsrolle in Europa im Kampf gegen Antisemitismus. Auch hier reagierte Israel positiv, diesmal in Person von Premierminister Benjamin Netanjahu, der sich für den Entschluss des Bundestags bedankte und andere Länder aufforderte, dem Beispiel Deutschlands zu folgen.[6]

Der Beschluss beinhaltet folgende deutliche Definition des modernen antiisraelischen/antizionistischen Antisemitismus: „Der Deutsche Bundestag verurteilt alle antisemitischen Äußerungen und Übergriffe, die als vermeintliche Kritik an der Politik des Staates Israel formuliert werden, tatsächlich aber Ausdruck des Hasses auf jüdische Menschen und ihre Religion sind, und wird ihnen entschlossen entgegentreten.“ Der Bundestag lehnte aber nicht nur die BDS-Bewegung als antisemitisch ab, sondern beschloss im Einzelnen:

  • keine Organisationen finanziell zu fördern, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen;
  • keine Projekte finanziell zu fördern, die zum Boykott Israels aufrufen oder die die BDS-Bewegung aktiv unterstützen.

Dieser Entschluss ist bewusst pauschal gehalten und geht dabei doch unerschrocken Bereiche an, in denen auch die deutsche Politik keine weiße Weste hat, hat doch u.a. die Bundesregierung in der Vergangenheit genau solche BDS-Projekte gefördert, wie die Bild-Zeitung über die GIZ einen Dienstleister des Auswärtigen Amtes und des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit herausgefunden hat[7] die Initiative 27. Januar berichtete.[8] Auch die parteinahen politischen Stiftungen waren und sind durch die Bank mit BDS-nahen Organisationen, Personen und Institutionen der Palästinenser im Kontakt, ebenso die großen Kirchen – man kooperierte und förderte munter.[9] Dem setzt die neue Beschlusslage klare Grenzen, und das ist im Sinne der Antisemitismusbekämpfung höchst begrüßenswert!

Wie steht es um die Israelfreundschaft unter den Außenpolitikern der Union?

Die Pauschalität des Antrags war auch einigen Abgeordneten der unterstützenden Fraktionen ein Dorn im Auge, die fürchteten, der Antrag gehe zu weit und würde legitime Kritik an der Regierung des Staates Israel in die antisemitische Ecke stellen und darüber hinaus die Arbeit der parteinahen Stiftungen bedrohen, die so wichtig sei.

Vor allem unter Außenpolitikern der Union waren bedenklich kritische Stimmen zu vernehmen: Mit Norbert Röttgen, als Vorsitzendem des Auswärtigen Ausschusses, Roderich Kiesewetter als Berichterstatter der Unionsfraktion zu Israel und Dr. Andreas Nick als Berichterstatter der Unionsfraktion für die Vereinten Nationen haben gleich drei einflussreiche Unionsaußenpolitiker eine Stellungnahme[10] verfasst, der sich noch 17 weitere Unionsabgeordnete anschlossen. Sehr ähnlich äußerten sich auch Katrin Göring-Eckhardt und Dr. Anton Hofreiter von den Grünen, die gemeinsam mit Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour eine eigene Stellungnahme publizierten, der sich später auch Niels Annen und Frank Schwabe von der SPD anschlossen, wie der Spiegel berichtete.[11] Annen ist immerhin Staatsminister im Auswärtigen Amt und gilt zusammen mit Norbert Röttgen und Sigmar Gabriel als einer der Politiker, die für den ausgesprochen israelkritischen ersten Entwurf des Abschnitts des Koalitionsvertrages über Israel verantwortlich zeichneten. Der Abschnitt wurde nach einem öffentlichen Aufschrei einiger jüdischer Organisationen und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft schließlich entschärft und ausgeglichener, wir berichteten.[12]

Man stimmte zwar für den Antrag, hatte aber erhebliche Bedenken. In dem Schreiben bekundeten die Unionspolitiker: „Wir bekennen uns daher uneingeschränkt zur Resolution 2334 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und unterscheiden auch klar zwischen dem Gebiet des Staates Israel und den Grenzen von 1967 und den besetzten palästinensischen Gebieten.“ Diese Aussage ist leider ganz auf einer Linie mit der gängigen, wie falschen europäischen Denkweise, dass der Staat Israel nur innerhalb der „Grenzen von 1967“ legitim sei. Doch diese Interpretation ist historischer Unsinn, waren es doch die Araber, die in 1949 darauf bestanden, dass es sich lediglich um Waffenstillstandslinien, keinesfalls aber um anerkennte Grenzen handelt.

Die europäische Forderung einer Zweistaatenlösung, basierend auf diesen fiktiven „Grenzen“, (die Abba Eban einst treffend als „Auschwitzlinien“ bezeichnete, da sie Israel der notwendigen strategischen Tiefe berauben, die zur Verteidigung des Landes unabdingbar ist)– ist in ihrem Wesen israelfeindlich, genau wie die benannte Resolution des UN-Sicherheitsrates. In einem lesenswerten Op-ed begründen US-Außenminister Mike Pompeo und US-Botschafter in Israel Michael Friedman am Beispiel der Golanhöhen, die die Amerikaner soeben als Teil des Staatsgebiets Israels anerkannt haben, warum israelische Rechte an Gebieten jenseits dieser Linien mit internationalem Recht vereinbar sind.[13] Es scheint, dass die Lücke, die der viel zu frühe Tod von Philipp Mißfelder in den Reihen der CDU-Außenpolitiker gerissen hat, noch immer nicht adäquat geschlossen worden ist. Sein klares und unerschrockenes Bekenntnis zur Freundschaft mit Israel und den USA fehlt der Union.

[1]https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/70-jahre-israel-vereinte-nationen/2217504

[2]https://www.bild.de/politik/ausland/politik-ausland/who-in-genf-deutschland-stimmt-erstmals-gegen-anti-israel-resolution-62091964.bild.html

[3]https://twitter.com/JIssacharoff/status/1131225047971094530

[4]http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/101/1910191.pdf

[5]https://www.trittin.de/2019/05/17/bds-entgegentreten/

[6]https://twitter.com/IsraeliPM/status/1129420319897391104

[7]https://www.bild.de/politik/ausland/politik-ausland/terrorverherrlichung-bis-bds-giz-entwicklungshilfe-fuer-israelhasser-61419004.bild.html

[8]https://twitter.com/JTerschuren/status/1133388216567042049

[9]https://www.deutschlandfunk.de/antisemitismusvorwurf-umstrittenes-deutsches-ngo-engagement.886.de.html?dram:article_id=317342

[10]https://twitter.com/DrAndreasNick/status/1129401032860196864

[11]https://www.spiegel.de/politik/deutschland/israel-politiker-von-union-und-gruenen-aeussern-bedenken-gegen-bds-beschluss-a-1267950.html

[12]https://initiative27januar.org/monitoring-report-februar-2018/

[13https://www.wsj.com/articles/international-law-backs-the-trump-golan-policy-11557875474?shareToken=st87f3197193b04834ab4b17e3c2cfa760

Monitoring Report – Juni 2019
Nach oben scrollen