Am Sonntag, den 29. Januar 2023, fanden sich etwa einhundert jüdische und nichtjüdische Gäste zur diesjährigen Gedenkveranstaltung der Initiative 27. Januar im Münchner CVJM zusammen. Begrüßt wurden sie von Harald Eckert, dem Initiator und Vorstandsmitglied der I27J, sowie durch einen kurzen Gruß des Antisemitismusbeauftragten des Landes Bayern, Dr. Ludwig Spaenle, sowie ein ausführliches Grußwort der Generalkonsulin des Staates Israel für Süddeutschland, Frau Carmela Shamir. Dieses schloss mit folgenden Worten:

„Veranstaltungen wie die heutige zeigen, dass Juden, Christen und Menschen aller Nationalität und Herkunft gemeinsam die Erinnerung an die Gräueltaten des Nationalsozialismus wachhalten können. Die besondere Freundschaft zwischen unseren Ländern besteht, weil wir der Geschichte gedenken, und weil Versöhnung und Vergebung Grundlage unserer christlich-jüdischen Werte sind. Sie ebnen uns den Weg in eine friedliche Zukunft – einen Weg, den wir nun schon seit so vielen Jahren gemeinsam beschreiten. Der Gedanke der Menschenrechte, vor allem das Konzept der Nächstenliebe, speist sich zwar aus der jüdisch-christlichen Tradition, er ist aber gleichzeitig einer ethisch-moralischen Lehre verpflichtet, die die Grenzen zwischen den Religionen überschreiten. Sie haben für alle Menschen universale Geltung und wir alle müssen sie respektieren und wahren. Darin sehe ich unseren gemeinsamen Auftrag und ich bin froh, viele Freunde und Partner an unserer Seite zu wissen. Ich danke Ihnen, Toda raba w shalom.“

Rückblick auf die Gedenkveranstaltung in Berlin

Der erste Teil der Veranstaltung wurde von Matthias Böhning, dem 1. Vorsitzenden der Initiative 27. Januar, gestaltet. Darin berichtete er über die Gedenkveranstaltung in Berlin am Abend des 26. Januar 2023, die unter dem Motto stand: „Dem (Über)Leben zuhören – 2023 im Spiegel der Shoah“. Dabei stand die Videoaufzeichnung des Lebensberichtes von Dr. Alexej Heistver, Überlebender des Gettos und späteren Konzentrationslagers Kaunas im Mittelpunkt. Er berichtete von seiner großen Angst als vierjähriges Kind, der Bedrohung durch den sadistischen KZ-Arzt mit seinen Versuchen an Kindern und seiner wundersamen Befreiung. Anschließend wurde in München, wie auch schon in Berlin, ein Moment des Gedenkens mit Würdigung der Opfer von damals und Sensibilisierung zu unserer Verantwortung heute begangen.

Gedenken in Zeiten der Zeitenwende

Die Münchner Gedenkveranstaltung hatte eine andere Überschrift und eine andere Struktur, als die Berliner Gedenkveranstaltung. Harald Eckert erläuterte deshalb im zweiten Teil der Veranstaltung: „Auf der Grundlage des Zeitzeugen-Zeugnisses von Dr. Heistver war es uns in München ein Anliegen, angesichts der Erschütterungen und Krisen unserer Tage, die Mut machende Gedenkveranstaltung vom 5. September 2022 in Fürstenfeldbruck zu ‘50 Jahre Olympia-Terror‘ ins Gedächtnis zu rufen. Man erinnert sich: Im letzten Moment wandelte sich ein Jahrzehnte anhaltendes „Staatsversagen“ (Bundespräsident Steinmeier auf der Gedenkveranstaltung am 5.9.2022) in einen goldenen Moment der Versöhnung und der Wiedergutmachung.“ Drei Münchner Christen auf dem Podium (Herbert Gromer, Andreas Zippe und Harald Eckert) berichteten davon, wie sie mit einem größeren Team den damit verbundenen Prozess im Vorfeld dieser Veranstaltung über mehr als ein halbes Jahr hinweg begleitet und beeinflusst haben und das Ereignis in Fürstenfeldbruck erlebt haben. Harald Eckert schloss dieses Gespräch mit zwei Fragen ab:

„Könnte es sein, dass das dahinter liegende Staatsversagen mit Jahrzehnten der Vertuschung und Manipulation auch die Parameter bestimmt oder beeinflusst hat, die zum teilweisen Versagen in der Nahost-Politik seit den siebziger Jahren bis heute beitragen?“

„Dieser 5. September 2022 war meines Erachtens ein goldener Moment der nationalen Buße: Bundespräsident, Bundesregierung, Bayern, München, Landkreis Fürstenfeldbruck – alle Spitzenrepräsentanten auf allen Ebenen haben sich öffentlich, soweit erkennbar aufrichtig, und mit den dazu passenden Konsequenzen (beispielsweise Entschädigung) entschuldigt. Der Kommentar der ‘Süddeutschen Zeitung‘ am folgenden Tag sprach von einem ‘späten Wunder‘. Wollen wir uns dadurch ermutigen lassen, wo nötig, auf breiterer und tieferer Ebene für weitere späte Wunder dieser Art zu beten und weiter danach zu streben?“

Einen besonders würdigen musikalischen Rahmen für die Gedenkveranstaltung setzte der israelische, in Deutschland lebende, Musiker Daniel Pruzansky.

Bericht von Harald Eckert